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Talmud Thora Schulen in Deutschland 1945 - 1950

Schriftzug Talmud Thora Schulen in Deutschland 1945 - 1950 Hebräisch: bereschit...

Einführung

Frankfurt_Dinner
Lunch mit dem Vaad Hatzala Direktor in Deutschland, Rabbiner Nathan Baruch, und dem „US-Advisor on Jewish Affairs“, Louis E. Levinthal, in der Talmud Thora Schule in Frankfurt.

Vaad_Truck
Mit den Lastwagen der Kehila Kadischa Am Israel (etwa: Heilige Gemeinschaft Volk Israel) wurden die Vaad Hatzala Hilfslieferungen in die Camps transportiert. Die Synagogen-Ambulanz grüßte mit der Aufschrift: Schalom Alejchem (Friede sei mit euch).

Nach der Shoa gab es nahezu kein europäisches Judentum mehr. Nicht nur die areligiösen Zionisten, sondern auch viele gläubige Überlebende der Katastrophe fragten sich, wo denn Gott gewesen sei, als Millionen Menschen in den Gaskammern erstickten. Gleichwohl kam es unter der Scheerit Haplejta (Rest der Geretteten) schnell zu einer spirituellen Renaissance. Großen Anteil daran hatte der Vaad Hatzala (Rettungskomitee), eine von Rabbinern der Agudath Israel in den USA und Kanada gegründeten Hilfsorganisation.

Vaad Hatzala

Der Vaad Hatzala unterstützte die orthodoxen Juden bei ihrem Versuch, ein Leben getreu den Vorschriften der Thora zu etablieren. Nachdem die US-Regierung das „Rettungskomitee“ als offizielle Hilfsorganisation anerkannt hatte, wurden in vielen DP-Camps Jeschiwot, Ritualbäder, koschere Küchen, Religionsschulen und weitere soziale Institutionen geschaffen. Ende 1947 unterhielt der Vaad Hatzala im besetzten Deutschland 14 Jeschiwot (Religionshochschulen), an denen über 1.500 Studenten Talmud und Thora lernten sowie zahlreiche Chadarim, traditionelle religiöse Grundschulen.

Die jüdisch-orthodoxe Bewegung

Die jüdisch-orthodoxe Bewegung sah es als ihre Aufgabe an, die Tradition jüdischen Lebens streng nach der Halacha zu bewahren und zu erneuern. Schon vor dem Ersten Weltkrieg hatte sich in Kattowitz mit der Agudath Israel eine Organisation gegründet, die sowohl die Orthodoxie in West- als auch in Osteuropa unter einem Dach zu vereinen suchte. Neu war zudem der Ansatz, eine religiöse Erziehung der Mädchen in eigens eingerichteten Bildungsanstalten, den sogenannten Beth Jakob Schulen (jidd. Bait Jankew), zu fördern. Die Mitglieder der Agudath Israel stellten als Anhänger eines orthodoxen Glaubensbekenntnisses eine lebenslange Diskussion und analytische Interpretation der biblischen und talmudischen Schriften in den religiösen Mittelpunkt. Dieser Ansatz sollte auch unter den Überlebenden der Shoa in den Wartesälen der Displaced-Persons-Camps (DPs) vermittelt werden.

Nicht wenigen Überlebenden war es ein elementares Bedürfnis, die religiösen Vorschriften wieder einzuhalten, die vor der Entrechtung durch die Nazis selbstverständlich zu ihrem Alltag gehört hatten. Neben dem Vaad Hatzala engagierte sich auch die US-Wohlfahrtsorganisation American Jewish Joint Distribution Committee (kurz Joint genannt) und verteilte Gebetbücher, Thora-Rollen, Tallitot, Tefillin, Schabbat-Kerzen sowie begrenzte Mengen an Lebensmittel, die den jüdischen Speisegesetzen entsprachen. Diese Texte und rituellen Gegenstände sowie die koschere Nahrung waren nicht nur eine essentielle Voraussetzung für die Einhaltung der religiösen Pflichten, sondern stellten einen beträchtlichen emotionalen Eigenwert dar, bildeten sie doch ein im wörtlichen Sinn begreifbares Stück der eigenen Identität.

Die Orthodoxie war aber auch angetreten, den übermächtigen säkular-zionistischen Bewegungen Paroli zu bieten und den zweifelnden Kindern und Jugendlichen, die versucht waren, alle religiösen Traditionen und die Existenz Gottes infrage zu stellen, wieder für das traditionelle Judentum zurückzugewinnen.

In den Camps

„Mindestens eine Synagoge befand sich in allen Camps“, schrieb etwa der Advisor on Jewish Affairs, Rabbiner Philip S. Bernstein, schon 1947 in einem Bericht und freute sich darüber, dass „in den meisten der großen Camps auch Mikwaot“ eingerichtet worden war. Die außerordentlichen Leistungen der Orthodoxie und insbesondere des Vaad Hatzala, im Hinblick auf die Erneuerung und Stärkung des jüdischen Glaubens unter den DPs, waren überdies wichtig beim Aufbau eines neuen und freien jüdischen Gemeinwesens in den DP-Camps, wie ein Brief des Direktors der US-Militärregierung für Bayern an Rabbiner Nathan Baruch vom Vaad Hatzala belegt: „Mit Ihren Anstrengungen hinsichtlich der Stärkung der Religion und spirituellen Kraft stützen Sie die Demokratie.“

Besondere Einwanderungserlaubnis

Durch intensive Lobby-Arbeit beim US-Außenministerium war es dem „Rettungskomitee“ zudem gelungen, eine besondere Einwanderungserlaubnis für Rabbiner und Studenten der religiösen Hochschulen durchzusetzen. Diese sogenannten Non-quota Visa waren an kein festgelegtes Kontingent gebunden und wurden zumeist relativ unbürokratisch erteilt. Der Vaad Hatzala oder auch die Agudath Israel als Vermittler zwischen den US-amerikanischen Gemeinden und den Bewerbern mussten für die Richtigkeit der Angaben bürgen und für die Reise aufkommen, wobei sich vielfach der Joint an den Kosten beteiligte.